Das Experiment von PULS, dem jungen Programm des Bayrischen Rundfunks, mit der ersten Snapchat-Soap, hat nach 14 Tagen ein vorläufiges Ende gefunden. Und damit ist es nun endlich an der Zeit, sich genau anzuschauen, was das Experiment gebracht hat und wie es bei den Nutzern ankam.
Nachdem ich hier bereits einige Worte zu der Soap verloren hatte, möchte ich nun abschließend eine Kritik zum Besten geben, die mehr Platz als einen Absatz braucht.
2 Wochen lang dauerte die gescriptete Reality-Soap iam.serafina vom jungen Programm des BR, dessen Zielgruppe die 14-29 jährigen sind. Dabei filmte sich die 19-jährige Hauptfigur Serafina selbst durch 14 turbulente Tage. Zumindest sollte es für den Zuschauer so wirken, als sei es eine normale Snapchat-Story ohne Drehbuch und professioneller Hilfe – was durch die laienhafte Bedienung auch tatsächlich so wirkte.
Dieses Experiment der gescripteten Reality-Soap auf Snapchat war an sich eine geniale Idee! Schließlich gehen die einzelnen Videos maximal 10 Sekunden und da tut sich selbst ein Schauspieler schwer, gleichzeitig Kamera, Text und Technik unter einen Hut zu bekommen. Dafür gibt es von mir schon mal ein Kompliment – für den Versuch. Wobei die schauspielerische Leistung (Franca Belongo aka Serafina ist gelernte Schauspielerin) schon unterstes Level war. Nicht umsonst wurde diese Soap schon mehrmals (snapchatintern) mit »Berlin Tag und Nacht« und ähnlichen Formaten verglichen.
Der Inhalt
Es fing alles damit an, dass die 19-jährige Serafina den Zuschauer mit aufs Oktoberfest nahm und bei ihrer Ankunft zu Hause ihren Freund in flagranti mit einer Anderen im Bett erwischte. Der Auftakt der Soap, zwischen Liebeskummer und jugendlichen Dummheiten, war somit gegeben.
Im Laufe der 2 Wochen überschlugen sich die eben erwähnten Dummheiten: Es wurde ein Auto vom Chef einer Freundin geklaut, man konsumierte harte Drogen und fast täglich unter der Woche Alkohol. Ganz nebenbei schlief Serafina mit einem Unbekannten, was die Einnahme der Pille danach zur Folge hatte: »Oh nein, ich war so voll – keine Ahnung, ob wir verhütet haben!«, schämt sich die junge Frau am nächsten Morgen und sucht geradewegs eine Apotheke auf. Dass es vielleicht auch zu übertragbaren Geschlechtskrankheiten hätte kommen können, wurde dabei gar nicht angesprochen. Das waren genau die Inhalte, die mich als Erwachsene an dieses Experiment zweifeln ließen. Den Bildungsauftrag suchte man hier vergebens.
Die Sache mit der Reichweite
Natürlich hat der BR mit seinem Snapchatkanal und seiner Soap über 14.000 Menschen erreicht. Menschen jeden Alters, wie mich z. B., die fast täglich sehen wollten, was das junge Gör als Nächstes anstellt. Und damit war ich nicht alleine, wie einige Zuschauerstimmen später zeigen werden.
Zu meiner Überraschung musste ich aber diesen Artikel lesen, aus dem hervorgeht, dass der BR es als Erfolg abtut, so viele Menschen erreicht zu haben. 14.000 Leute, wow!
In meiner Welt, der Social-Media-Welt, ist es aber nun wirklich kein Erfolg, wenn man a) einfach nur viele Menschen erreicht und b) erst recht nicht, wenn eine Medienanstalt diesen Kanal betreibt. Allein aus Bekanntheitsgründen ist es für etablierte Medien stets ein Leichtes, an Follower/Zuschauer/Leser zu kommen.
Die Werbestrategie
Zumal für dieses Projekt eine ordentliche Werbestrategie in Gang gesetzt wurde: Klassische PR, Pressearbeit innerhalb verschiedener Kanäle, Cross-Promotion-Aktionen und Gastauftritte (wie z. B. des bekannten Bloggers Riccardo Simonetti), die Follower auf diesen Kanal umgeleitet haben.
Mit Verlaub, aber 14.000 Zuschauer – da hätte man mehr rausholen können. Mit den richtigen Inhalten zum Beispiel.
Doch zurück zu Punkt a): Die Bildzeitung erreicht tagtäglich auch sehr, sehr, sehr viele Menschen, doch spricht das nun wirklich nicht für die Qualität dieses Blättchens. Interessant wäre doch in erster Linie, wie die Zuschauer der Snapchatsoap diesen sogenannten Erfolg empfunden haben. Wir erinnern uns: Ich gehöre auch zu den 14.000 Zuschauer und hätte vor lauter Kopfschütteln fast eine Gehirnerschütterung davon getragen. Es war wie der sprichwörtliche Unfall, bei dem man nicht wegsehen konnte.
It‘s all about Technik…
Der nächste Kritikpunkt folgt zugleich: Wer die Soap verfolgt hat, oder es jetzt auf YouTube nachholt, kann sich von einer zum Teil katastrophalen Kameraführung überzeugen. 30 Sekunden und somit 3 Snaps lang die eigenen Füße zu filmen, die in der Dunkelheit verschwinden, sind alles, nur keine Kunst. Ich möchte behaupten, dass kleine Kids besser mit einer Smartphonekamera umgehen können.
Weiter: Snapchat lebt, wenn man nicht gerade ein Influencer mit 1 Million+ Follower ist, von der Interaktion miteinander. Wenn nun eine Serafina ihre Follower dazu aufruft, ihr zu raten, was sie als Nächstes tun soll, dann sollte sie auch den privaten Chatbereich (für direct Messages) für alle öffnen. Ansonsten wird der Zuschauer sich veräppelt vorkommen: Zu Dingen aufzurufen, die man nicht machen kann, ist frustrierend.
…and Verlinkungen
Snapchat lebt übrigens von noch einer Sache, nämlich von der internen Verlinkung. Das ist eine der wenigen Möglichkeiten, um auf andere Snapchatter aufmerksam gemacht zu werden. Was der Zuschauer allerdings bei iam.serafina zu sehen bekam, waren bis auf ihre zwei Mitbewohnerinnen bekannte Blogger (s.o.) und Modemacher. Diese wurden selbstredend verlinkt; selbst für Münchener Verhältnisse ist es weniger realistisch, dass die junge Studentin nur solche Menschen verkehrt. Und auch sonst wirkte es dadurch wie eine Kooperation, weniger wie eine Soap: Du verlinkst mich, ich mache Werbung für dich. Nichts Neues aber auch nichts Besonderes.
Für den Zuschauer interessante Accounts wurden hingegen entweder gar nicht erwähnt oder nach wenigen Minuten wieder löscht. Damit wird eine Fame-Bubble suggeriert, die alles andere als nah und greifbar erscheint, sondern abgehoben und genau so unerreichbar wie die tägliche Soap im Fernsehen. Nur das Letztere mit Drehbüchern und besseren Inhalten arbeitet. Ja, »bessere« Inhalte, weil Soaps wie GZSZ und Co. sich wenigstens ihrer Verantwortung bewusst sind, wenn sie für junge Menschen produzieren.
Ich für meinen Teil kann nur hoffen, dass sich die Macher der iam.serafina-Soap bis 2017 Gedanken darüber machen, wie sie die Inhalte für die junge Zielgruppe anpassen kann, die sie erreichen wollen, und diese mit mehr Verantwortung auswählen. Denn nächstes Jahr soll es mit der “Erfolgssoap” weitergehen.
Snapchat Stimmen – was sagen die Zuschauer?
Dass ich keine gute Meinung von dem Soap-Experiment habe, ist nun mehr als klar geworden. Daher habe ich andere Snapchatter dazu aufgerufen, sich dazu zu äußern. An dieser Stelle sei aber auch direkt erwähnt, dass es keine repräsentative Umfrage ist, da es nur einige wenige Stimmen aus dem 14.000 Zuschauerpool ist.
Meiner Meinung nach leidet BR an einer verzerrten Selbstwahrnehmung. Wie sonst könnte man annehmen, dass diese so innovative Snapchat-Swap erfolgreich ist, weil 14.000 Leute zuschauen? Hat der BR keinen Bildungsauftrag? Es ist absolut nicht cool, innovativ oder angesagt, wenn man Jugendlichen suggeriert, dass es absolut in Ordnung ist, Drogen zu nehmen, Arbeit von anderen erledigen zu lassen, Autos zu klauen und Männer auszunehmen. @latina1811
Ich hab mir das angeschaut – voll schlimm, wie viele Sachen als ok durchgehen. Auto klauen, Drogen nehmen – das darf nicht so suggeriert werden. Ich habe aber auch 4 Kinder, und die haben Asi-TV Verbot. Die sehen das natürlich anders, weniger problematisch. Am liebsten hätte ich diese Serafina geschüttelt. Die Themen finde ich wirklich nicht Ordnung. @creature79
Ich hab mir mal diese Serafina angeschaut – was ist das denn. Kommt RTL jetzt zu Snapchat? Aber ja, am Besten war noch: “Ich stelle euch jetzt Fragen” und dann ist die Chatfunktion deaktiviert. Sehr schlau alles. @deniz.varli
Es ist wie bei einem Unfall, man kann nicht wegschauen. @mypetitcoeur
[Hier bitte eine Parodie einfügen, die ich schriftlich nicht wiedergeben kann, die aber sehr lustig war]
Ich selber finde die Serie total uninteressant und nicht realistisch. Allerdings bin ich mir sicher, dass Jugendliche voll auf die Themen anspringen: Freund geht fremd, Krise, Selbstfindung, feiern, Drogenkonsum… Nichtsdestotrotz ist die Idee eine Serie auf Snapchat zu bringen super. Für meinen Geschmack dann aber gerne mit mehr Mehrwert. @marmeladekisses
Sorry aber die Snapchatstory von Serafina ist wie ein Unfall – unfassbar schlimm aber man muss trotzdem einmal hinschauen. @itsme_lyna
Zunächst finde ich die Idee echt gar nicht schlecht und auch das Alter der Protagonisten nicht: Die Zeit des Umbruchs, des “Sich-Suchens” (Abitur, Studium, Umzug…). Die Umsetzung? Schlimm! Ein Mädchen, der oft vieles total egal erscheint, die keine Verantwortung übernehmen kann. Die in ihrer alten Heimatstadt keine alten Freunde hat, die sie sich in dieser schweren Zeit anvertrauen kann, sondern irgendwelche Mädchen kennenlernt und dann bei denen einzieht!? Die auch irgendwie noch asi sind, trinken und Drogen nehmen und ihr Lebens irgendwie nicht auf die Reihe bekommen, Was soll das den Zuschauern bzw. der Zielgruppe suggerieren? Man hat nicht das Gefühl, dass Serafina 19 Jahre alt ist und gerade ihr Abitur bestanden hat, sondern 15 und die pubertäre Phase gerade ihren Höhepunkt erreicht hat. @franzi_johanna2
Ich habe die Soap i am Serafina geschaut und fand es ganz unterhaltsam. Aber leider zu kurz. Eine witzige Idee, eine Soap über Snapchat… @kaybhh
Schreibe einen Kommentar